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Vergiftungen durch Jakobskreuzkraut

In alten Pferdebüchern wird eine Leberverhärtung durch Heu von schlechten Wiesen beschrieben, die als Schweinsberger Krankheit oder Leberkoller bezeichnet wird. Vor etwa 100 Jahren entdeckte man eine wichtige Ursache für diese oft tödliche Krankheit: Kreuzkräuter (Senecio- Arten), vor allem das Jakobs-Kreuzkraut (JKK), Senecio jacobaea. Seither heißt diese Lebererkrankung Seneciose.
Mit der Intensivierung der Landwirtschaft ab den 1960er Jahren trat die Seneciose kaum noch auf, da sich Kreuzkräuter auf intensiv gedüngten und häufig gemähten Wiesen und Weiden nicht mehr durchsetzen konnten.

Rückkehr des Jakobskreuzkrautes

Mit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft in den 1990er Jahren begann sich das JKK wieder stark auszubreiten. Auf stillgelegten Ackerflächen und extensiv genutzten, mageren Wiesen und Weiden fand es beste Lebensbedingungen. Auch an Straßenböschungen und Bahndämmen, auf Kahlschlägen, Naturschutzflächen, Industrie- und Gewerbeflächen und Bau-Erwartungsland bildeten sich große Bestände, die sich weiter ausdehnen werden, wenn nicht oder erst spät gemäht wird. Der Klimawandel mag bei der erneuten Ausbreitung ebenfalls eine Rolle spielen, denn JKK ist wärmeliebend.

JKK braucht Lücken in der Pflanzendecke, um gedeihen zu können. Solche Lücken entstehen besonders leicht auf überbesetzten Pferdeweiden durch Trittschäden oder durch das für Pferde typische tiefe Abbeißen und Ausreißen des Grases. Werden solche Weideflächen nicht gepflegt, bieten sie dem JKK, aber auch diversen anderen Schadpflanzen, günstige Wachstumsbedingungen (Mehr zum Thema Weidepflege finden Sie hier).

Besonders abgegraste Pferdeweiden bieten dem Jakobskreuzkraut Platz zum Gedeihen.

Jakobskreuzkraut sicher erkennen

Aus dem Samen des JKK entsteht im 1. Jahr eine Blattrosette mit tief fiederteiligen Blättern, die an der Blattunterseite schwach behaart sind und beim Zerreiben unangenehm riechen. Im 2. Jahr wächst aus der Rosette ein Stängel, der je nach Bodenbeschaffenheit 30-180 cm hoch werden kann.

Die goldgelben Blütenkörbchen des Jakobkreuzkrautes sieht man von Juni bis August blühen.

Er ist kantig-gerillt, an der Basis oft rötlich-violett gefärbt, aufwärts zunehmend grün und verzweigt.

Am Ende der Zweige entwickeln sich 15-20 mm große, goldgelbe Blütenkörbchen, mit meist 13 Strahlenblüten, in aufrechten Doldentrauben.

JKK blüht von Juni bis August.

Abgemähte Pflanzen blühen bis in den Oktober. Sind alle Blüten verblüht, stirbt die Mutterpflanze.

Fortpflanzung

Eine einzige JKK-Pflanze kann mehr als 140.000 Samen bilden, die denen des Löwenzahns ähneln. Diese werden durch den Wind im Umkreis von ca. 10 m, wenige bis 50 m weit verbreitet.

Durch Tiere und Ackermaschinen wie Mähwerk und Mulcher kommt es zu wesentlich weiträumiger Verbreitung.

Wird blühendes JKK gemäht, reifen bis zu 80% der Samen nach (Notreife).

Zum Keimen benötigt der Same offenen Boden.

Er kann im Boden 25 Jahre auf seine Chance warten.

Wird blühendes JKK gemäht, können bis zu 80% der Samen nachreifen (Notreife).

Lebertoxische Pyrrolizidinalkaloide

In allen Pflanzenteilen des JKK, besonders in den Blüten, befinden sich Pyrrolizidinalkaloide (PA). Mit diesen PA schützen sich die Pflanzen vor Fressfeinden. PA sind vor allem für Rinder und Pferde lebertoxisch.

JKK-belastetes Heu und Silage stellen die eigentliche Gefahr für Pferde dar!

Die Tiere meiden frisches JKK wegen seines bitteren Geschmacks, vorausgesetzt es steht ausreichend anderes Futter zur Verfügung.

Getrocknet und siliert ist JKK weiterhin giftig, verliert jedoch seine Bitterstoffe und wird fast uneingeschränkt gefressen.

JKK-belastetes Heu und Silage stellen demnach die eigentliche Gefahr für Pferde dar!

Die Seneciose

Die Seneciose verläuft zumeist als chronische Krankheit, bei der es zu schweren, irreparablen Schäden in der Leber kommt (Leber-Zirrhose).
Die Symptome bei Pferden, die auf eine Seneciose hindeuten können, sind untypisch.

  • Schlechter Ernährungszustand
  • Nachlassende Kondition
  • Schnelles Schwitzen
  • Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust
  • Kolik
  • Verstopfung oder Durchfall
  • Starke Blähungen
  • Häufiges Gähnen und Lecksucht 
  • Fressen ungeeigneter Substanzen (Holz, Kot etc.)

können auf einen Leberschaden hinweisen.

Erkrankungen der Haut, Sonnenbrand (v.a. auf weißen Hautstellen), Mauke und Fellwechselstörungen sind ebenfalls Hinweise, ebenso Verhaltensänderungen.

Nachweis der Leberschädigung

Beim Auftreten der oben genannten Symptome kann eine Laboruntersuchung des Blutes bei möglichst mehreren Tieren desselben Bestandes Aufschluss darüber geben, ob ein Leberschaden vorliegt.
Ist dies der Fall, muss vorrangig die Fütterung kontrolliert werden. Dabei ist nicht nur auf JKK und andere Giftpflanzen zu achten. Überfütterung führt ebenso zur Leberbelastung wie eine Eiweißmangelernährung. Auch auf Wurmbelastung incl. Bandwurmbefall muss kontrolliert werden. Außerdem wird im Umfeld des Tieres nach möglichen weiteren Ursachen für Leberbelastungen gesucht.

Es ist auf angefressene Materialien in der Umgebung zu achten und gegebenenfalls das hofeigene Wasser zu kontrollieren etc.

Maßnahmen zur Eindämmung des JKK

JKK ist Futterpflanze für mehr als 170 Insektenarten, die wiederum das Nahrungsangebot von Vögeln und Säugetieren bereichern.

Deshalb ist die vielfach gestellte Forderung nach behördlich angeordneter genereller Vernichtung des Jakobskreuzkrautes, unangemessen.

Im Gegenteil: Unkritischer Herbizid-Einsatz gefährdet Mensch und Tier und sollte vermieden werden.

Bekämpfungsmaßnahmen sind dort notwendig, wo das JKK Weidetiere gefährdet.

Jakobskreuzkraut und wilde Möhren bieten ein üppiges Nahrungsangebot für Insekten.

In einer dichten Grasnarbe hat JKK kaum Chancen. Diese erreicht man durch 2-3 Schnitte und Nachsäen von Gras- und Leguminosen-haltigen Kräutermischungen bei Bestandslücken und durch Einsatz von organischem Dünger. Bei mäßigem Befall mit JKK ist sorgfältiges Ausgraben unter Schonung der Grasnarbe (Grabgabel) die beste Methode. Das Nachwachsen sollte engmaschig kontrolliert werden.
Bei starkem Befall kann Mähen mit beginnender Blüte im Juni UND August empfohlen werden. Das Schnittgut muss von der Fläche entfernt werden, damit das JKK nicht zur Notreife kommen kann. Am besten entsorgt man es über eine Biogasanlage.

Durch Mähen wird die Blattrosette des JKK kräftiger und der Giftgehalt steigt.

Es ist zu bedenken, dass durch Mähen die Rosette des JKK kräftiger wird, der Giftgehalt steigt und die normalerweise zweijährige Pflanze zur mehrjährigen Pflanze wird.

Umpflügen ist aufgrund der Möglichkeiten des JKK, sich aus Wurzelresten erneut zu bilden, keine Lösung!

Das Ausgraben der Pflanze ist dann ohne schädigende „Nebenwirkungen“, wenn den Akteuren bekannt ist, welche Pflanzen mit JKK verwechselt werden können. Rainfarn, Johanniskraut, Goldrute, Gilbweiderich, Pippau, Habichtskräuter, Bocksbart, Ferkelkraut und Gänsedistel dürfen solchen Aktionen nicht zum Opfer fallen! Dies würde nicht nur unnötige Arbeit verursachen, sondern hierdurch nähme nicht zuletzt unser ältestes Nutztier Schaden, die ohnehin in ihrer Existenz schwer bedrohte Honigbiene.

Die Raupe des Blutbärs ist immun geworden gegen die Pyrrolizidinalkaloide. Sie kann JKK fressen und das Pflanzengift zur Abwehr ihrer Feinde nutzen! Das aus ihr entstehende Schmetterlingsmännchen bildet daraus einen Signalstoff. Je mehr Gift, um so mehr Signalstoff, um so mehr Erfolg bei den Weibchen!
Bei der Befruchtung wird das Gift mit den Spermien übertragen und schützt die nachwachsende Generation.

Die Raupe des Blutbärs frisst JKK und die Männchen haben dadurch mehr Erfolg bei den Weibchen.

Zusammenarbeit

Die Gründe für die erneute Ausbreitung des JKK sind heute weitgehend bekannt. Um das JKK effektiv eindämmen zu können, bedarf es der Zusammenarbeit von Landwirten, Hobbytierhaltern, Naturschutzbehörden, Forstwirtschaft und Straßenwirtschaftsämtern. Alle Beteiligten müssen über strategisch richtige Eindämmungs- und Bekämpfungsmaßnahmen und sachgerechte Entsorgung informiert sein und entsprechend handeln. Landwirte und Tierhalter tragen besondere Verantwortung dafür, dass Pferde grundsätzlich nur JKK freies Heu erhalten (Mehr Informationen rund um das Thema JKK und Heu erfahren Sie hier)

 

Fotos: Ferdinand Worm


Artikel von Dr. med. vet. Cäcilia Brendieck-Worm
Tierärztin und Heilpflanzenexpertin
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